Beim 2:2 steht Wuppertal dicht vor dem Sieg - Langbein sieht die zweite Rote Karte

Münster trifft spät, aber gleich doppelt

Von THOMAS AUSTERMANN

Wuppertal - Weniger als eine Minute brauchten die münsterschen Preußen dafür, einen Zwei-Tore-Rückstand zu egalisieren und ein verdientes Unentschieden zu holen. Die Spielminute aber gab dem Doppelschlag erst die Würze, denn das Fußball-Regionalligaspiel beim Wuppertaler SV stand bis zur 88. Minute 2:0 für die Gastgeber...

Die Bergischen retten sich nicht ins Ziel, weil sie nachlässig agierten. In der 89. Minute schob Jürgen Serr seinen siebten Elfmeter dieser Serie zum Anschlußtreffer ins Netz, nachdem Matthias Becker zu rüde gegen Timo Kemming vorging. Kaum lag der Ball wieder am Anstoßkreis, rückten die Preußen auf breiter Linie vor. Irgendwie kam Reinhard Geise an den Ball. Und er nutzte blitzgescheit eine Lücke und setzte mit 15-m-Rechtsschuß den 2:2-Schlußpunkt vor 1 300 Zusehern im Zoostadion.

Eine Niederlage hätte Münster auch nicht verdient gehabt, legt man die erste Halbzeit als Maßstab zugrunde. Über eine Niederlage aber hätte sich Münster auch nicht beschweren können. Denn wieder einmal taten sich alle schwer, gute Chancen kühl zu nutzen. Und diesmal patzte zudem die Hintermannschaft mehrfach. Unterm Strich stand letztlich, daß die lange Zeit - im Kombinationsspiel von hinten heraus - besseren Preußen einen biederen Gastgeber so lange aufbauten, bis er zwei Treffer vorgelegt hatte. Erst mit einem glücklichen Ende bewahrte der SCP sein Gesicht.

Zunächst gab Münster dem WSV die numerische Überzahl. Nach acht Minuten schon bügelte Libero Thomas Langbein ein kapitalen Schnitzer von Matthias Sellmann aus. Auf Kosten der Roten Karte. "Hexes" Einschreiten gegen den Senegalesen Babacar N'Diaye wertet der unsichere Schiedsrichter als Notbremse. Jürgen Serr spielte fortan den Libero. Und zwar zumeist vor der Abwehr und ziemlich offensiv. Timo Kemming paßte gut auf, wann er seinen Kapitän abzusichern hatte.

In Unterzahl zog der SCP flotter übers Feld als Wuppertal. Aber Serr mit Freistößen, Andre Bertelsbeck und vorneweg Carsten Gockel vergaben Möglichkeiten. Gockel hatte durchaus Platz im Gefahrenraum, aber er wirkte erneut eher unglücklich im Abschluß. Der 36jährige Rudi Müller, Wuppertals "Denkmal", machte es besser. Von Geise klaute der Libero den Ball, lief sich frei und traf nach Goulet-Paß zum 1:0 (41.). Inzwischen hatte der WSV auch einen Mann weniger: Manndecker Mademann sah die Gelb-Rote-Karte.

Münsters Moral schwand mit der Zeit und im Dauerregen, weil alle Versuche abgeblockt oder alle Chancen vertan wurden. Wuppertal setzte auf Konter aus dichter Abwehr. N'Diaye umspielte einmal Winter, aber der überhaupt fehlerfreie Olaf Buschkötter rettete auf der Linie (65.). Das 2:0 kam als plötzlicher Schlag: Nach einem weiten Ball standen sich Sellmann und der 15 m weit herausgelaufene Winter im Weg. Goulet köpfte über beide hinweg ins leere Tor (69.). Münsters "Toni" rief zwar "Selle" an, aber er warf sich in dieser Szene nicht energisch genug rein.

Damit schien es sich zu haben. Der WSV wechselte sogar die Stammspieler Müller und Steub aus. Vorzeitig wie man später wußte, denn der Doppelschlag von Serr und Geise kippte die Partie noch in eine andere Bahn.

Vollmann: Risiko in Kauf nehmen

Wuppertal (ta) - Drei Mann (Buschkötter, Kemming, Antwerpen) mußten sich fitspritzen lassen, um für Münster auflaufen zu können. "Ich habe kein gutes Gewissen dabei, denn diese Art von Behandlung lehne ich eigentlich ab", sagte Preußentrainer Peter Vollmann nach dem zehnten Remis der Saison. "Aber was bleibt uns übrig, als dies zu tun und das Risiko einzugehen, mit angeschlagenen Akteuren zu spielen?"

Vollmann wird künftig weiter experimentieren und umstellen müssen. Denn wie in der Hinrunde nach dem sechsten Spieltag und Thomas Langbeins erstem Platzverweis im RWO-Spiel wird auch nun Jürgen Serr als Libero benötigt. "Gegen die Rote Karte legen wir Einspruch ein", legte sich Vollmann fest. Langbein wird freilich als "Wiederholungstäter" zwei Wochen auf seine Sperre hinzu addiert bekommen und hat somit möglicherweise bereits sein letztes Spiel für Münster bestritten. "Ich habe den Ball und den Spieler berührt", sah der 30jährige "Hexe" die schnelle Bestrafung als zu hart an.

Vollmanns Blick zurück war recht milde. "Es war ein sehr interessantes Spiel, wir waren vor der Pause sehr gut. Die Qualität der Torchancen war hoch, aber unser Manko wurde wieder deutlich." Er machte Matthias Sellmann für die Rote Karte mitverantwortlich und Dirk Winter fürs zweite Tor hauptverantwortlich. "Wenn er ruft und rausgeht, muß er den Ball haben!" Der SCP-Trainer attestierte Wuppertal, zwischen Wiederanpfiff und der 80. Minute "mehr vom Spiel" gehabt zu haben. "Wir waren schon durch. Die beiden Tore fielen vielleicht glücklich, aber sie waren hochverdient. Vor der Pause haben wir gut kombiniert und immer wieder die Außen gesucht. Das war ein anderes Verhalten als noch gegen Salmrohr."

Wuppertals scheidender Trainer Wolfgang Jerat gestand: "Wir hatten vor der Pause viel Glück, aber wird haben ein wunderbares Tor gemacht. Nach der Pause ließen wir Münster keine Chance - bis auf die letzten Minuten." Sein Fazit lautete trotzdem: "Wir halten mit Spitzenmannschaften mit, noch fehlt uns die Abgebrühtheit. Vorhalten muß ich aber meiner Elf, daß sie das 2:0 mit rein reaktivem Spiel über die Zeit retten wollte. Wir haben es versäumt, weiter auf den Gegner draufzugehen.