Trance

 

als multisensuelle Kreativitätstechnik

 

 

 

3. Kapitel

 

für

 

 

Anthologie Multisensuelles Design

 

Giebichsteiner Vorlesungen

 

 

 

 

 

Jürgen W. Kremer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2002 by Jürgen W.Kremer

 

 

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0. Einleitung

Die vorangegangenen zwei Kapitel haben deutlich gemacht, daß das menschliche Selbst und seine Sinne in verschiedenen Kulturen wie historischen Perioden unterschiedlich konstelliert sind. Dieses Kapitel befaßt sich jetzt mit dem komplexen menschlichen Bewußtseinspotential der Trance, einem von vier möglichen Bewußtseinszuständen. Heutzutage ist die Formel „alternative Bewußtseinszustände“ oder altered (veränderte) oder alternate (alternative) states of consciousness (die Abkürzung ASC wird auch in diesem Text gebraucht) als Sammelbegriff für das Spektrum unterschiedlich induzierter integrativer Bewußtseinszustände mehr gebräuchlich. Die Trancefähigkeit und die entsprechenden kulturgebundenen Techniken der Trancebenutzung stellen eine grundlegende Möglichkeit des unlearning, des Verlernens (Freeman 2000) dar (der Schlaf mit seinen REM Phasen ist eine andere). Verlernen ist für ein intentional und bedeutungsvoll strukturiertes Bewußtsein unabdingbar und transformatives Lernen ist ohnedem nicht denkbar. Die Trance eröffnet durch ihr Verlernungs- und Integrationspotential einen langbewährten Weg multisensuelle Kreativität zu katalysieren. Hier finden wir den Schamanen und sein holistisches Gesundheits- und Weltverständnis als einen Archetyp des multisensuellen Designers. Nach kulturhistorischen und interkulturellen Betrachtungen befassen wir uns jetzt mit den inneren Mechanismen eines Bewußtseinsprozesses, der für die gezielte Produktion multisensuellen und holistischen Wissens als höchst fruchtbar betrachten werden kann. Wir klopfen also die Trance auf ihre Nutzbarkeit als Kreativitätstechnik für multisensuelles Design ab.

 

Dieses Kapitel hat die folgenden Ziele:

1) Definition von Trance im Kontrast zu anderen veränderten Bewußtseinszuständen (ASC).

2) Beschreibung von wesentlichen psychosoziobiologischen Dimensionen des menschlichen Bewußtseins.

3) Beschreibung der Physiologie von Trancezuständen.

4) Diskussion von Trancephasen, durch visuelle Designs veranschaulicht.

5) Diskussion des Nexus Schamanismus - Trance.

6) Beschreibung psychophysiologischer Prozesse von Tranceheilungen.

7) Beschreibung von schamanischem Heilen als multisensuelles Design.

8) Abschließende Bemerkungen über Trance als Kreativitätstechnik in der Entwicklung von multisensuellen Designs.

 

Dieses Kapitel gibt eine Kurzübersicht und Interpretation von Trancezuständen, die auf meinen eigenen psychologischen und anthropologischen Beobachtungen (die auf Besuchen insbesondere bei den Pomos, Miwoks, Hopis, Diné (Navajos) und Samis sowie Begegnungen mit sibirischen und anderen Schamanen sowie einem intensivem Literaturstudium beruhen.  Die gegenwärtig beste und aktuellste Übersicht enthält Michael Winkelmans Buch Shamanism – The neural ecology of consciousness and healing (2000), ein Text den man also die moderne Version von Mircea Eliades klassichem Text Shamanism – Archaic techniques of ecstasy (1964) betrachten kann.  Dieses Buch entwickelt den von Laughlin, McManus und d’Aquili (1990) beschriebenen neurophänomenologischen Ansatz weiter. Das Studium der Arbeiten von Charles Tart (1975), Roger Walsh (1990), Stanley Krippner (z.B. Villoldo & Krippner 1986), Felicitas Goodman (1988, 1990) und Erika Bourguignon (1973) ist in den nachfolgenden Beschreibungen reflektiert. (Detaillierte Nachweise für die Graphiken dieses Kapitels befinden sich am Textende.)

 

 

 

 

 

1. Trance und andere veränderte Bewußtseinszustände

Wir können vier menschliche Bewußtseinszustände unterscheiden:

1)      Tiefschlaf.

2)      Traumschlaf.

3)      Wachsein.

4)      Integrative Bewußtseinszustände.

Die Gruppe der integrativen Bewußtseinszustände (Trancen oder alternate states of consciousness, ASC) kann grob in drei Kategorien unterteilt werden:

1) Religiöse Trance.

2) Besessenheitstrance.

3) Meditative Zustände.

Diese drei Bewußtseinszuprozesse können als integrativ bezeichnet werden, im Gegensatz zu den Prozessen des modernen Menschen, die normativ-dissoziativ oder monophasisch sind (mit der Emphase auf dem Wachsein). 

 

Religiöse Trance oder schamanische Trance oder Trance (ich benutze diese Begriffe synonym) ist mit der schamanischen Reise, der Visionssuche (vision quest) und dem Seelenflug assoziert. Sie werden durch Singen, Chanten, Fasten und andere Entsagungen oder sogenante Psychointegratoren induziert (pflanzliche Halluzinogene oder synthetische Äquivalente).  Das sympathische Nervensystem wird bis zur Erschöpfung manipuliert, so daß es in einen parasympathischen Prozeß kollabiert.  Visionen erscheinen in der Folge und werden als Seelenreise interpretiert.  Im Gegensatz zur Besessenheitstrance hat das Subjekt (z.B. der Schamane) weitgehend Kontrolle über die Geister, die in der Erfahrung auftauchen.  Schamanische Trance wird oft als eine Art prähistorischer Bewußtseinszustand betrachtet und dann abwertend mit „primitiven Stämmen“ im Zusammenhang gesehen (wobei dann gegenwärtige indigene Stämme abwertend als prähistorische Überbleibsel angesehen werden).  Erfahrungen schamanischer Trance können in der Regel voll erinnert werden (Teile der Erinnerung können state specific bleiben, d.h. sie können allein mit Hilfe desselben veränderten Bewußtseinszustand wieder abgerufen werden).

 

Die Besessenheitstrance (possession trance) ist mit Amnäsie, Konvulsionen und spontanen Anfällen assoziiert (im Folgenden benutze ich den Begriff Trance nicht für Besessenheitstrance; Besessenheitstrance wird immer bei ihrem vollen Namen genannt).  Wir finden sie z.B. beim Voudoun in Afrika oder in der Karibik oder in Brasilien und in den Pfingstkirchen. Die Besessenheitstrance ist durch vorwiegend auditorische Erfahrungen (im Gegensatz zu den prädominant visuellen Erfahrungen der religiösen oder schamanischen Trance) sowie durch die Erfahrung von Geistern, die die Person dominieren, charakterisiert.  Der Bewußtseinsprozeß liegt erfahrungsmässig außerhalb der Kontrolle des Individuums.  Der Beginn der Besessenheitstranceerfahrung kann grob durch hilfreiche Stimuli und Umgebung gesteuert werden, jedoch erfolgt der präzise Beginn spontan; das Ende der Besessenheitstrance ist weitgehend unkontrolliert und kann in Verbindung mit Erschöpfung gesehen werden. Mediumistische Seher begeben sich in Besessenheitstrance.  In der Regel erinnern sich Individuen nach einer Besessenheitstrance nicht an die Inhalte der Erfahrung. (Hypnotische Phänomene sind entweder der Trance oder der Besessenheitstrance zuzuordnen, je nach Bewußtheitsgrad der hypnotisierten Person.)

 

Trance und Besessenheitstrance werden in der Literatur analytisch scharf getrennt, jedoch existieren in der Praxis Mischformen. Z.B. sind bei Trancen sibirischer Schamanen oft klare Elemente der Besessenheit beobachtbar. Ähnliches habe ich auch bei den nordkalifornischen Pomos gesehen.

 

Meditative oder yogische Zustände sind im Vergleich zur schamanischen Trance durch größere Selbstkontrolle und Konzentration, geringe Erregung, Ruheerlebnis, emotionale Distanz, Verlust des Selbstgefühls, größere Bewußtheit sowie eher inhaltslose Erfahrungen zu charakterisieren. Ziele sind hier Entspannung, psychologische und philosophisch Einsicht und letztlich die Erleuchtungserfahrung (Nirwana).

 

Walsh (1990) hat Schlüsseldimensionen für die Kartographie von Trancezuständen (ASC) benannt. Kontrolle, Umweltbewußtsein, Kommunikationsfähigkeit, Konzentration, Erregung, Ruhe, Emotionalität, Identitätsgefühl, An- oder Abwesenheit von körperlosen Erfahrungen sowie die Organisation der Erfahrungsinhalte, ihre Intensität und Sinnesmodalität, haben sich als nützliche Dimensionen erwiesen um diese drei Bewußtseinszustände (ASC) zu unterscheiden. (Nachfolgende Tabelle nach Walsh 1990, 218-219.)

 

Grad der Kontrolle

--- Fähigkeit den ASC anzufangen und zu beenden.

--- Fähigkeit die Erfahrung während des ASC zu kontrollieren.

Bewußtheit der Umgebung

Ist die Umweltswahrnehmung reduziert?

Kommunikationsfähigkeit

In welchem Ausmaß ist es der Person im ASC möglich mit anderen Menschen zu kommunizieren?

Konzentration

--- Grad oder Intensität der Konzentration.

--- Konzentration auf ein einziges Objekt fixiert (Samadhi) versus momentane, fließende, wechselnde Konzentration auf eine Reihe von Objekten (schamanische Reise).

Erregung

Grad der Erregung oder Energie.

Ruhe

Nicht nur niedrige Erregung, sondern auch Unstörbarkeit und wenig agitiert.

Emotionen

Angenehm versus unangenehm.

Identitätsgefühl

Gewöhnliches Identitätsgefühl versus Erfahrungen der Loslösung der Seele vom Körper oder Einheit mit allen Dingen.

Körperlose Erfahrungen

(OOBE, Out-of-body experiences)

Wahrnehmungserfahrungen von einer Warte, die außerhalb des Körpers liegt.

Erfahrungsinhalte:

 

     --- Grad der Organisation

Ungeordnetes Gedanken- und Bilderfeld versus bedeutungsvolle Sequenzen.

     --- Sinnesmodalität

Primär auditiv, visuell, somatisch, etc.?

     --- Intensität der Wahrnehms-

          objekte

Subtil, undeutlich, kaum wahrnehmbar versus intensiv und überwältigend.

 

 

 

Wir können diese Dimensionen jetzt benutzen um die schamanische Trance, die Bessenheitstrance und meditative Zustände (Vipassana Meditation und Yoga in der Tradition von Patanjali) zu kartographieren (die folgende Tabelle ist eine erweiterte Version der Präsentation von Walsh 1990, 230).

Dimension

Schamanische

Trance

Besessen-

heits-

trance

Vipassana Meditation

(Buddhismus)

Yoga

(Patanjali)

Kontrolle über Beginn & Ende des ASC

Ja

Beginn: reduziert

Ende: teils stark reduziert

Ja

Ja

Kontrolle über Erfahrungsinhalt

Teilweise

Gering

Teilweise

Extreme Kontrolle in einigen Samadhis

Umweltswahr-nehmung

Reduziert

Reduziert

Erhöht

Sehr reduziert; sensorische & somatische Bewußtheit

Kommunikations-fähigkeit

Manchmal

Ja

Gewöhnlich

Keine

Konzentration

Erhöht, fließend

Erhöht, fließend, unbewußt

Erhöht, fließend

Sehr erhöht, fixiert

Erregung

Erhöht

Erhöht

Gewöhnlich reduziert

Sehr reduziert

Ruhe

Reduziert

Reduziert

Gewöhnlich erhöht

Signifikant erhöht,extreme Ruhe

Affekt

Positiv oder negativ

Positiv

oder

negativ

Positiv oder negativ

Positiver mit zunehmender Praxis

Sehr positive

Gefühle unbeschreiblicher Glückseligkeit

Identitätserfahrung

Separate Selbsterfahrung, entkörperte “Seele”

Entleerter

Körper,

alternative

Identität

regiert

Selbst dekonstruiert, ständig wechselnder Fluß des „Nicht-Selbst“

Unveränderliches,

transcendentes Selbst,

Purusha

Out-of-Body Erfahrung

Ja. Kontrollierte Ekstase

Nein

Unbewußt-

sein

Nein

Nein; Verlust von Körper-bewußtsein

Enstase

Erfahrungsinhalt

Organisiert, kohärent, Inhalte durch schamanische Kosmologie und Intentionen determiniert

Organisiert,

kohärent

Glossolalia

Dekonstruktion komplexer Erfahrungen in konstitutive Stimuli, die weiter in kontinuierlichen Fluß dekonstruiert werden

Ein einziges Objekt (Samadhi mit Unterstützung) oder pures Bewußtsein (Samadhi ohne Unterstützung)

Dimension

Schamanische

Trance

Besessen-

heits-

trance

Vipassana Meditation

(Buddhismus)

Yoga

(Patanjali)

 

 

Veränderte Bewußtseinszustände (ASC) können auf die verschiedenste Weise induzierte werden:

--- Trommeln;

--- Chanten;

--- Singen;

--- Tanzen;

--- Stimulanzien;

--- Psychointegratoren (pflanzliche Halluzinogene);

--- Alkohol;

--- Sinnesstimulation;

--- Sinnesdeprivation;

--- Fasten;

--- Temperaturextreme;

--- Erschöpfung;

--- Unterbrechung des normalen Lebensrhytmus (Wachsein in der Nacht);

--- emotionale Manipulation;

--- intensive Konzentration;

--- Körperhaltung;

und eine Reihe andere Induktionsmethoden.

 

Die verschiedenen Induktionsmethoden resultieren in ähnlichen Reaktionen im Gehirn, zentral ist:

Sie evozieren langsame Gehirnwellen im limbischen System, die dann das Stirnhirn synchronisieren und dominieren.

Dieser physiologische Prozeß ist den drei grob charakterisierten veränderten Bewußtseinszustände gemeinsam, jedoch unterscheiden sie sich in anderen physiologischen, phänomenologischen und subjektiven Dimensionen.

 

Dieser integrative Bewußtseinszustand mit Ursprung im limbischen System steht im Kontrast zum Wachsein, das durch das Stirnhirn (Frontalhirn), die linke Hirnhemisphäre sowie logische, rationale und verbale Erfahrungen charakterisiert ist.  Diese Qualität der Wachheit kann, z.B. im Vergleich zur Wachheit bestimmter schamanischer oder meditativer Tranceerfahrungen, als normative Dissoziation verstanden werden, d.h. eine Abschottung oder Dissoziation von integrativen Bewußtseinszuständen (die im Kontrast eine fluide Selbsterfahrung eingebettet in die Umwelt beinhalten) und eine monophasische Betonung der wachen, normativen Alltagserfahrung. Die veränderten Bewußtseinszustände erlauben Zugang zur Integration von symbolischen und physiologischen Systemen.

 

Nach Abschluß dieser Kontextualisierung konzentriert sich dieser Beitrag auf Trance (religiöse oder schamanische Trance), jedoch nicht die Besessenheitstrance oder meditative Zustände. 

 

Die Induktion von Trance kann einfach und direkt durch repetitives, gleichmässiges schnelles Trommeln vorgenommen werden (205-220 Schläge pro Minute). Michael Harner (1980) hat diese Art von Induktion popularisiert und als core shamanism (Kernschamanismus) bezeichnet.  Diese einfache Art der Induktion ist effektiv und ermöglicht Individuen tiefe und bedeutungsvolle Erfahrungen.  Sie ist im Bereich der New Age Bewegung weit verbreitet worden.  Core shamanism unterscheidet sich jedoch in vieler Hinsicht von der Praxis indigener Völker.  Dort kann Trance am besten als eine holistische, ganzheitliche Gestalt verstanden werden, die multidimensional durch eine Reihe von Induktionen im Rahmen eines reichhaltigen rituellen und mythischen Systems hervorgerufen wird (im zweiten Kapitel haben wir eine Reihe von Andeutungen für den Reichtum der Möglichkeiten gegeben).

 

Im indianischen Sonnentanz (sun dance) der Plains Indianer, zum Beispiel, finden wir eine viertägige Zeremonie, die nach langen Vorbereitungen (inkl. Schwitzhütten direkt vor Beginn) und Entsagungen (sexuelle Abstinenz) stundenlanges Tanzen, ununterbrochenes Singen unter Trommelbegleitung, Entsagung von allem Essen und Trinken, sowie das Opfern von Fleisch und Haut der Tänzer beinhaltet.  Diese Art von Trancezeremonie ist also qualitativ wesentlich intensiver als die Trommelreise des core shamanism in einem Konferenzsaal.  Gleichzeitig ist der Sonnentanz nicht nur von individueller Bedeutung, sondern er ist eine Gemeinschaftszeremonie der Welterneuerung, die tief mit der mythischen Struktur der Plains Stämme verbunden ist (Adepten des Kernschamanismus entbehren eine vergleichbare mytho-ideologischen Einbettung).

 

Die Visionssuche, der vision fast, ist gleichfalls ein komplexes Unterfangen, in dem die Trance durch Trockenfasten (d.h. ohne Wasser und Essen) sowie Isolation in der Natur induziert wird (häufig innerhalb eines kleinen Steinkreises, einer Grube oder einer Höhle).  Die Schamanen begleiten die Initianden und helfen bei der symbolischen oder mythologischen Interpretation des Erlebnisprozesses.

 

Die Zeremonien der Pomo-Miwok Stämme sind gleichfalls ein holistisches Unterfangen. In ihren großen round houses (Rundhäuser), zwanzig und mehr Meter im Durchmesser, kombinieren sie weya Gesänge, Gebete sowie Instruktionen mit Tänzen ums Feuer. Weya ist ein Begriff der nicht einfach zu übersetzen ist; sein semantischer Raum reicht von Lebensenergie und Kraft bis Liebe. Außenseiter werden unter bestimmten Umständen und bei bestimmten Gruppen willkommen geheißen, jedoch sind es vorwiegend die Stammesmitglieder, die singen und tanzen. Die schamanische oder religiöse Trance, die auf diese Art und Weise erreicht wird, ist in mancher Hinsicht subtil, kann jedoch auch Aspekte der Besessenheitstrance annehmen. Die jahreszeitlich strukturierten Zeremonien (Erbeerfest, Eichelfest, etc.) beginnen ganz langsam während Kinder umher laufen und spielen und Gespräche auf den Bänken fortgeführt werden. Nach einigen Stunden jedoch, während die Zeremonie langsam jenseits von Mitternacht weitergeht, findet man sich plötzlich zutiefst in eine Trance verwickelt und die Schamanen, Männer und Frauen, leiten die Heilungsprozesse derjenigen, die unter Krankheiten oder psychologischen Wunden leiden.

 

Tart (1975) hat in seinem klassischen Text States of Consciousness die wesentlichen Faktoren beschrieben, die die psychedelische Tranceerfahrung beeinflußen. Diese Faktoren sind für andere Trancezuständen gleichsam relevant. Wir können zwischen Langzeitfaktoren, unmittelbaren und situativen Faktoren unterscheiden. Diese Konstellation von Faktoren beeinflußt wie die Tranceerfahrung eingeleitet, erfahren, beendet und hinterher bewertet wird.

 

Unter den Langzeitfaktoren ist es wichtig zu fragen: Ist ein Individuum kulturell einer bestimmten Tranceerfahrung gegenüber positiv oder negativ disponiert? Handelt es sich um eine extrovertierte oder introvertierte Person? Sind belastende Lebenserfahrungen virulent oder unterdrückt? Wie hoch ist die physiologische Sensibilität oder Empfänglichkeit für Trancezustände und bestimmte Induktionsweisen? Auf welche Lernerfahrungen hinsichtlich des Umgangs mit Transzuständen kann zurückgegriffen werden?

 

Unter den unmittelbaren Faktoren finden wir Erwartungshaltung (positiv versus negativ), Stimmung und Wünsche (Intentionen für die Erfahrung).

 

Situativ sind dann die Umgebung (angenehm, gemütlich versus ungeschützt, unkontrolliert, auf der Straße), die soziale Situation (alleine, in einer Gruppe von Freunden, mit Personen wo es an Vertrauen mangelt, etc.), Unterweisungen für die Tranceerfahrung (fühlt sich der Trancer voll informiert, weiß er/sie was zu erwarten ist, Kontrollmöglichkeiten, etc.) und die impliziten Erwartungsanforderungen (hinsichtlich des Verlaufs, der Intensität, der Sensationalität, etc. der Erfahrung) in Betracht zu ziehen.

 

Die Tranceerfahrung selber mag sich einerseits in beobachtbarem Verhalten niederschlagen (z.B. Tanzbewegungen, Handauflegen, Zuckungen), andererseits in verbalen Erfahrungsberichten (in der nachfolgenden Illustration das Erscheinen des mythischen Rabens, der etwas im Schnabel bringt); jedoch mögen bestimmte Teile der Erfahrung Worten nur schwer zugänglich sein (eingebettet im Grund der Erfahrung, dem Sand in der nachfolgenden Illustration). Diese drei Aspekte der Erfahrung beeinflussen dann zukünftige Tranceerfahrungen durch das Feedback, daß sie geben, und können so zur Modifikation von situativen, unmittelbaren wie auch langzeitigen Faktoren führen. Trancezustände sind erlernbar und durch Lernen modifizierbar, auch wenn bestimmte Individuen leichteren Zugang zu diesen ASC haben.

 

Trancefaktoren 2 Rabe.jpg

Abb. 1.1 Einflußfaktoren der Tranceerfahrung

(frei nach Tart)

 

Trance ist ein normales Potential des Menschen. All Versuche diesen integrativen Bewußtseinsprozess zu pathologiesieren sind als gescheitert anzusehen. Im Licht der Trance, im Einklang mit indigenen Perspektiven, erscheint der Bewußtseinsprozess des modern Menschen als pathologisch, da er normativ integrative Bewußtseinsprozesse (Trance, Besessenheitstrance und meditative Prozesse) auszuschalten sucht.  Das gegenwärtige Interesse an meditativen Traditionen und Schamanismus kann als Rückkehr des natürlichen menschlichen Bedürfnisses nach integrativen Bewußtseinszuständen interpretiert werden.  Die Drogenkultur der Sechziger Jahre, insbesondere die Benutzung von LSD, sowie die rock sessions von Bands wie die Grateful Dead, können als ein weiteres Symptom dieses normalen Bedürfnisses nach alternativen und integrativen Bewußtseinsprozessen verstanden werden. Häufig drückt sich dieses Bedürfnis in einer romantisierenden oder nostalgischen Form aus, da die moderne Gesellschaft nicht mehr die notwendigen Strukturen bereithält um integrative Prozesse anzuleiten und konstruktiv zu unterstützen (Tranceerfahrungen in indigenen Gesellschaften sind in komplexe rituelle Vorgänge und mythologische Strukturen eingebettet). Romantisierung und Nostalgie sind die Konsequenz der langwährenden Unterdrückung eines natürliches Bedürfnisses und einer normalen Kapazität des menschlichen Hirns. Trance ist ein Ausdruck des psychosoziobiologischen Potentials des Menschen. In der Vergangenheit wurde es weltweit aktualisiert (cf. Bourguignon 1973), während es heute hauptsächlich nur von indigenen Völkern und in meditativen Traditionen in akzeptablen Formen praktiziert wird; in modernen Gesellschaften ist es ein Minoritätsunterfangen ist. Multisensuelles Design enthält die Möglichkeit Tranceprozesse wieder gezielt und konstruktiv in Gemeinschaftsprozesse zu integrieren und produktiv zum Wissensgewinn zu benutzen. Christliches Dogma ist durch wissenschaftliche Forschung im Laufe der Aufklärung diskreditiert worden. Dies läßt jedoch die religiösen oder spirituellen Bedürfnisse der Menschen unbefriedigt. Trance ermöglicht spirituelle Erfahrungen (i.e. integrative Bewußtseinszustände), die nicht auf Dogma und Glauben basieren, sondern mit einem demokratischen Modell des Individuums vereinbar sind. Dieser integrative Bewußtseinsprozeß beinhaltet die Möglichkeit Individualismus und soziale Kommunikationsfähigkeit zu ntegrieren.

 

 

 

 

 

2. Trance und die Natur des menschlichen Bewußtseins

Bewußtsein ist ein System komplexer Prozesse. Es steht im Dienste des Selbsts. Das Selbst ist die Autorepräsentation des Organismus für den Organismus. Das sensorische Selbst kann vom narrativen Selbst unterschieden werden. Bewußtsein beinhaltet einen inneren Dialog, der sich mit den Mitmenschen und den diversen sozialen Situationen auseinandersetzt. Wichtig ist, daß dieser innere Dialog nicht nur verbal stattfindet, sondern auch visuelle und kinästhetische Bilder benutzt, d.h. im sogenannten präsentierenden Modus stattfindet (im Gegensatz zum repräsentierenden Modus). Selbstbewußtsein entwickelt sich zuerst auf der Basis dieser grundlegenden präsentierenden Modalitäten, die sich in der Nachfolge zu den repräsentierenden, rationalen Modalitäten fortbilden. Diese tieferliegenden Selbstbewußtseinsprozesse können mit Hilfe von Symbolen, Metaphern und Mythen erreicht werden (jedoch nicht allein unter Benutzung von linearem, rationalem Denken).

 

Trance ermöglicht Adaptionen zwischen menschlichem Innenleben, Mitmenschen, und kulturellen Bedeutungssystemen und neurognostischen Strukturen des Bewußtseins. (Neurognostische Modelle bestehen aus verbundenen Neuronennetzwerken – dentritisch-axonisch-synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen - und den begleitenden Zellstrukturen, die innerhalb eines Feldes von neuralen Prozessen existieren; sie erarbeiten rudimentäre Formen des Wissens über Selbst und Umwelt; Laughlin et al. 1990.) Die Trance kontrastiert den gewöhnlichen Wachzustand (verbal, rational, external orientiert) mit einem Prozeß der Innenorientierung, Intuition sowie holistischen, tacit (stillschweigenden), nonverbalen Wahrnehmungen und Bedeutungen. Ein solcher Prozeß wird gewöhnlich mit den Etiketten ‚unbewußt’ und ‚intuitiv’ belegt. In den eurozentrierten Traditionen sind diese Prozesse weitgehend unterbewertet und in den Bereich der Kunst, des Privatlebens und der Religion abgeschoben, bei gleichzeitiger Betonung rationaler Denkprozesse. Trance ist auch heute häufig noch mit Hexenglauben, Pathologie, Kulten und Drogenmißbrauch assoziiert.

 

Bourguignons Untersuchungen (1973) sind in dieser Hinsicht wichtig, da sie zeigen, daß alternative Bewußtseinzustände (Trancen) ein weltweites Phänomen sind, hauptsächlich in Verbindung mit Schamanentum. Schamanen sind vorwiegend bei (nomadischen) Sammler und Jäger Gesellschaften sowie in Hortikulturen anzufinden. Sie repräsentieren eine ökologisch spezifische Adaption des menschlichen psychosoziobiologischen Potentials auf der Basis der Trance oder von ASC (altered oder alternate states of consciousness).  Der Schamane ist ein Trance-Experte und Navigator alternativer Bewußtseinszustände. Schamanische Trance erlaubt eine Integration von kognitiven, emotionalen und verhaltensmässigen Kapazitäten durch eine psychophysiologische Manipulation des menschlichen Gehirns. Der Wunsch nach Bewußtseinsveränderungen ist ein angeborenes, biologisches menschliches Bedürfnis von großer adaptiver Bedeutung. Psychointegrative Prozesse (Trance oder ASC) erlauben die Ausbalancierung von problematischen inneren Zuständen (psychologische Dimension), kommunalen Zuständen (soziale Dimension) und ökologischen Zuständen (Adaption an die Umwelt). McKenna (1992) geht sogar soweit zu postulieren, daß die menschliche Sprache ihre Entstehung der Vereinnahme von Psychointegratoren zu verdanken hat.

 

Wahrnehmungstheoretiker fallen grob gesehen in zwei Lager: Materialisten und Kognitivisten sehen Wahrnehmung als einen passiven Prozeß an, während Pragmatiker sie als einen aktiven Prozeß verstehen (Freeman 2000, 95ff.).

 

Für Materialisten und Kognitivisten, in verkürzter Darstellung, beginnt der Wahrnehmungsprozeß mit einem Stimulus, der Information gibt, die dann durch den Hirnstamm über den Thalamus in den sensorischen Kortex übermittelt wird. Sie wird dann als Objekt repräsentiert. Von dort wird die für am besten befundene Darstellung ins Frontalhirn übergeleitet, wo über eine angemessene Reaktion entschieden wird. Der motorische Kortex sendet dann einen ensprechenden Befehl über den Hirnstamm und das Rückenmark an die entsprechenden Muskeln. Bemerkenswerte Seitenschleifen sind eine aufwärtgerichtete Schleife durch die Retikulärformation im Hirnstamm und den Thalamus (bewirkt Erregung und selektive Aufmerksamkeit) und eine Schleife durch das Cerebellum, die Verhalten detailliert moduliert, sowie eine nach unten gerichtete Schleife, die emotionale Schattierungen bewirkt und die Sekretion von emotionsspezifischen Neurohormonen kontrolliert.

 

Für Pragmatisten ist Wahrnehmung ein aktiver Prozeß in dem wir eine Haltung der Aufmerksamkeit und Erregung einnehmen. „Diese Haltung verkörpert eine Hypothese, die durch die intentionale Dynamik im limbischen System initiiert wird ... und durch eine nachfolgende Entladung an alle sensorische Kortices in einem Prozeß der Präafferenz übermittelt wird. Die Ankunft von Stimuli bestätigt oder verwirft die Hypothese ... Der intentionale Fokus liegt im limbischen System, nicht im Thalamus oder Frontalhirn, da der Hippocampus die neurale Maschinerie besitzt intentionales Verhalten im Raum-Zeit-Kontinuum zu dirigieren“ (Freeman 2000, 97). Dieses Modell weist auf die Wichtigkeit multisensorischer Konvergenz im entorhinalen Kortex hin. Freemans Theorie, die wesentlich auf seinen extensiven olfaktorischen Untersuchungen beruht, ist mit der Interpretation der Trance, die ich in diesem Kapitel darstelle, kompatibel und als Ansatz hilfreich.

 

Das menschliche Bewußtsein hat einen weites Spektrum von Kapazitäten, die in der Interaktion von biologischem Potential und erlernten symbolischen Repräsentationen aktualisiert werden. Das rationale, reflexive Bewußtsein is im Gegensatz zum Trancezustand ein Prozeß, der nicht einbindend, vereinigend oder integrativ ist. Bewußtsein kann nur mit Hilfe eines systemtheoretischen und neurophänomenologischen Ansatzes (Laughlin et al. 1990, Winkelman 2000) hinreichend verstanden werden, da es ein Verständnis der Beziehung zwischen dem Gehirn und den sozial konstruierten Erfahrungen bedarf. Freeman, Ellis und viele andere haben darauf hingewiesen, daß es Bedeutung, nicht Sinnesinformation ist, die unsere Aufmerksamkeit strukturiert. Bedeutung prädisponiert unsere Wahrnehmungen.

 

Baars, Ellis und andere haben die Bewußtseinsprozesse in verschiedene Bestandteile unterteilt: Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit verschiedene Formen von Repräsentation oder Information (Empfindungen, Wahrnehmungen, Bilder, Sprache) handzuhaben, in Abhängigkeit von der Fähigkeit Muster wiederzuerkennen.  Bewertungen sind von Wünschen, Emotionen und Bedeutungen motiviert, die der Organismus zuordnet um Beziehungen zur Umwelt zu managen auf der Basis der Erfahrungen des Wissenden oder Selbsts.

 

Das folgende Schema (aus Tart 1975, 90) illustriert wie die verschiedenen Subsysteme des Bewußtseins und ihre prinzipiellen Interaktionsrouten systemtheoretisch verstanden werden können.

 

Tart Faktoren.jpg

Abb. 2.1 Wesentliche Subsysteme menschlicher Bewußtseinsprozesse mit prinzipiellen Routen des Informationsflusses

Dünner Pfeil: wesentliche Feedback-Kontrollrouten (ein Subsystem hat teilweise Kontrolle über ein anderes); dicker Pfeil: wesentliche Routen des Informationsflusses; gestrichelter Pfeil: Routen im Vorbewußten.

 

Bewußtseinsprozesse entwickeln sich durch reziproke Verursachung -- nicht nur haben physische und physiologische Zustände einen Einfluß auf unsere Wahrnehmung (upward causality), sondern rituell aktivierte Symbole, Metaphern und Mythen können einen Einfluß auf physiologische und physische Zustände nehmen (downward causality).  Dies heißt, daß Bedeutung und psychobiologisches Funktionieren verbunden sind.  Deshalb ist es wichtig das Verständnis dieser reziprok verbundenen Dimensionen in einem neurophänomenologischen Ansatz einzubinden. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt wie wichtig der Einfluß von sozialen Beziehungen auf Gesundheit, Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeit ist. Die Kategorie der Bedeutung hat sich zunehmend als eine zentrale Schaltstelle im Bewußtseinsprozess erwiesen. Dabei ist es wesentlich sich daran zu erinnern, daß Bedeutung nicht nur in den Schichten der später gelernten repräsentierten Bewußtsprozesse erhalten wird, sondern auch (und fundamental) in den präsentierenden Bewußtseinsmodalitäten.

 

 


 

 

3. Physiologische Grundlagen von Trancezuständen

Die Struktur des menschlichen Gehirn kann hilfreich, wenngleich vereinfachend, mit MacLean folgendermassen beschrieben werden (ohne notwendigerweise seine gesamte Theorie unkritisch zu übernehmen; cf. z.B. Freeman 1995, 168-169):

1) Das Reptilhirn, der R-Komplex oder das organische Gehirn.

2) Das paläomammalische Gehirn.

3) Das neomammalische Gehirn.

 

MacLean.jpg

Abb. 3.1  MacLeans Modell des dreiteiligen Gehirns (triune brain)

(Verändert nach Laughlin et al. 1990, 71.)

 

Das Reptilhirn besteht aus dem oberen Rückenmark, dem Mesenzephalon (Mittelhirn), dem Dienzephalon (Thalamus-Hypothalamus) und den Basalzellen. Das Reptilhirn reguliert Organfunktionen wie Metabolismus, Verdauung und Atmung. Es ist für Wachheit, Aufmerksamkeit und die Regulation und Koordination von Verhalten verantwortlich.

 

Das paläomammalische Gehirn basiert auf den evolutionären Entwicklungen im limbischen System, das den evolutionären Unterschied zwischen Reptilien und Säugetieren darstellt. Dieser Teil des Gehirns ist die Basis des sozialen Verhaltens, der nonverbalen, emotionalen und analogen Informationsverarbeitung. Es funktioniert sozusagen als Gefühlshirn und vermittelt zwischen Affekten, Sexualität, Selbstverteidigung und Aggressionsverhalten, Bonding und Attachment (emotionale Bindungen) und dem Gefühl des eigenen Selbsts welches die Basis für Überzeugungen, Glaubensvorstellungen, Annahmen und Gewißheiten darstellt.

 

Das neomammalische Gehirn (Telenzephalon oder Neokortex) ist Charakteristikum der hominiden Evolution. Es ist die Basis für hochentwickelte Symbolprozesse, Kultur, Sprache, Logik, rationales Denken, analytische Prozesse und komplexe Problemlösungsvorgänge.

 

MacLean schreibt diesen anatomischen Strukturen unterschiedliche Funktion zu. Das Reptilhirn produziert Protomentation, das paläomammalische Emotiomentation und das neomammalische Gehirn Ratiomentation. Das Reptilhirn generiert die grundlegenden Handlungsabläufe und Aktionen des Körpers. Das paläomammalische Gehirn generiert die emotionalen Einflüsse auf Denken und Verhalten. Das neomammalische Gehirn benutzt hochentwickelte Symbolfähigkeiten um die grundlegenden Handlungsabläufe und Emotionen mit anderen Informationsprozessen zu integrieren.

 

Im Folgenden drei Hirnansichten (von der Seite, im Querschnitt und von unten), die diese Strukturen im Detail identifizieren.

 

Gehirn Seitenansicht.jpg

Abb. 3.2 Seitenansicht des Zerebralkortex.

Gezeigt sind die vier Gehirnlappen. Der primäre motorische Kortex befindet sich am Ende des Frontallappens. Der somatosensorische Kortex befindet sich am Anfang des Parietallappens.

 (Farthing 1992, 93)

 

 

 

 

Gehirn Querschnitt.jpg

Abb. 3.3 Querschnitt des menschlichen Gehirns (Farthing 1992, 92)

 

 

 

 

 

 

Brain from below.jpg

Abb. 3.4 Das menschliche Gehirn von unten gesehen

Von den fünf Gehirnlappen sind nur drei von unten sichtbar. Der entorhinale Kortex ist ein Teil des Temporallappens; er ist die Hauptquelle für Input in den darüberliegenden Hippocampus. Olfaktorischer Input geht direkt von den olfaktorischen Stengeln in den entorhinalen Kortex. Alle anderen Sinne hingegen machen einen Umweg durch den Hirnstamm zu den Basalzellen und dem Kortex. (Freeman 2000, 7)

 

Hunt (1995) hat auf drei Konvergenz- oder Integrationszonen hingewiesen. Dies sind Bereiche der Synthese und polymodalen Informationsintegration.

1) Der erste Konvergenzbereich erlaubt dem Organismus primäres Bewußtsein, ein Zustand der durch den Thalamus vermittelt wird. Die retikuläre Formation und der Thalamus sind wahrscheinlich die einziges Bestandteile des Gehirns, die für den Wachzustand unabdingbar sind. (S. Abb. 3.3)

2) Die zweite Konvergenzzone ist die Basis eines entwickelteren Gedächtnises. Der Hippocampus und die Amygdala im limbischen System stellen die Basis dafür dar sowie für bildhafte Antizipation und Erinnerung. Dieser Bereich erlaubt Bewußtseinsqualitäten die vom Selbst, Anderen, Gesellschaft und Emotionen angereichert sind. (S. Abb. 3.4, 3.3, 3.1)

3) Die dritte Konvergenzzone befindet sich im tertiären Neocortex, insbesondere in der rechten Hemisphäre. Hier findet die Integration und Reorganisation der verschiedene Wahrnehmungsmodalitäten statt. Sie ist zentral für symbolische Kognition und Selbstbewußtsein. (S. Abb. 3.2)

 

Die Interaktion der verschiedenen Aspekte des Gehirns basiert nicht primär auf einer verbalen Sprache, sondern auf anderen Formen der Mentation, sozialen Repräsentation und symbolischen Information. Diese vermitteln, kanalisieren und lösen dann physiologische Prozesse aus.

 

Die Matrix von angeborenen Trieben und Bedürfnissen, sozialen Einflüssen und repräsentierenden Systemen ist für das Verständnis verschiedenster Gesundheitsprobleme wichtig (chronische Angst, zwanghaftes Verhalten, Repression, Dissoziation, usw.). Diese Probleme sind in Bedeutungssystemen verankert, die subneocortical sind, d.h. sie beruhen auf prälinguistischen, symbolischen Modalitäten, emotionalen Assoziationen und Entscheidungen, die durch die rechte Hemisphäre und das paläomammalische limbische System konstituiert werden. D.h. Heilung kann nicht allein verbal-rational erfolgen.

 

Wesentlich ist, daß symbolische Prozesse zentral an der Entwicklung, Elaboration und Aufrechterhaltung der neuralen Struktur sowie der bewußten Erfahrung beteiligt sind. Die Urform der symbolischen Kommunkation findet sich in visueller Kinästhetik (mirroring) und wird später dem Sprechen untergeordnet. Diese nonverbale symbolische Intelligenz stellt die Basis für Bedeutungen dar, die ihren Ursprung in metaphorischer Polysemie haben. Polysemische Bedeutungen enstehen im Unbewußten und erscheinen spontan durch Vertiefung ins symbolische Medium. Bildhaftes Denken erlaubt Wissen, daß ontogenetisch später im propositionalen Wissen eingebettet wird; es ist die Basis symbolischer Kognition. Imaginale Kapazitäten operieren unabhängig von linguistischen Vorgängen und sind zentral mit den Erfahrungen der Verkörperung verbunden. Metaphern, animistische und mythische Bilder, wie wir sie im Schamanentum vorfinden, repräsentieren Wahrnehmungs- und Wissensstrukturen, die zentral für Selbst, Bewußtsein, Sozialleben und Heilen (Therapie) sind. Trance erlaubt es diese präsentierenden Bereiche des Bewußtseins (paläomammalisches Gehirn) durch integrative Prozesse zu erreichen  und homöostatische, balancierende physiologische Prozesse auszulösen.

 

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die vier Typen von Gehirnwellen (beta, alpha, theta und delta), die dazu benutzt werden können die vier menschlichen Bewußtseinszustände (Tiefschlaf, Traumschlaf, Wachsein, integrative Bewußtseinszustände) per EEG zu kartographieren. Die linke Spalte benennt die Gehirnwelle und gibt phänomenologische Kurzbeschreibungen, die nächste Spalte gibt die Frequenz und die dritte Spalte gibt eine charakteristische Abbildung der Gehirnwelle zusammen mit weiteren phänomenologischen Beschreibungen sowie einer tomographischen Aufsicht des Gehirns, die die Häufigkeitsverteilung der Gehirnwellen andeutet (je dunkler desto häufiger).

Gehirnwellen.jpg


 

 

 


Bei Trancezuständen werden die normalen Wachheitsprozesse durch parasympathische Zustände abgelöst. Wachheit ist durch sympathische Dominanz und desynchronisierte schnelle Wellenaktivität des Stirnhirns charakterisiert. ASC dagegen sind durch parasympathische Dominanz mit hochvoltigen, langsamen Gehirnwellen im EEG charakterisiert. Diese Wellen stammen aus Schaltverbindungen zwischen Hirnstamm zusammen mit Hippocampus und Septum des limbischen Systems und dem Stirnhirn. Dieses synchrone langsame Gehirnwellenmuster breitet sich auf die frontalen Gehirnlappen aus und bewirken eine interhemisphärische Synchronisation und Kohärenz, eine Integration des limbischen Systems mit dem Kortex sowie eine Synthese von Verhalten, Emotion und Kognition. 

 

Mandell (1980, 435) hat hypothesiert, daß hochvoltige, langsam-wellige EEG Aktivität (alpha, theta und delta, insbesondere im Bereich von 3 bis 6/8 Schwingungen pro Sekunde) dem Frontalhirn ein synchrones langsam-welliges Muster überlegen. Goodman (1988, 38-39) beschreibt Trance neurophysiologisch als ein Alternieren zwischen ergotropischen und trophotropischen Erregungsprozessen (sympathischen und parasympathischen). Ihre Untersuchungen haben darauf hingedeutet, daß während der Trance die Herzschlagrate signifikant zunimmt und, überraschenderweise, der Blutdruck gleichzeitig abnimmt – ein Prozeß, den wir sonst nur bei lebensbedrohlichen Infektionen oder Blutungen beobachten können. Gleichzeitig konnte im Blutserum ein Abnehmen von Stressoren (Adenalin, Noradrenalin und Kortisol) beobachtet werden, während die körpereigenen Schmerzmittel, die beta-Endorphine, zu erscheinen begannen und bis über das Ende der Trance hinaus nachweisbar blieben. Gehirnaktivität wurde im theta-Bereich (6-7 Schwingungen pro Sekunde) beobachtet, was für normale Erwachsene im Wachzustand unüblich ist (bei geringer Aktivität in anderen Brandbeiten). Guttmann hat Hinweise dafür gefunden, daß es in Trancezuständen zu negativen Entladungen im erstaunlich hohen Bereich von 1,000 bis 2,000 Mikrovolt kommt (bei Lernvorgängen kommt es zu Entladungen von 250 Mikrovolt).

 

Zusammenfassend können wir sagen, unter Vernachlässigung detaillierter Unterschiede zwischen verschiedenen ASC, daß Trancezustände eine erhöhte langsamwellige Aktivität im Bereich der Fundamentallappen beinhalten, zusammen mit einer erhöhten Dominanz von Aktivitäten des limbischen Systems (insbesondere im Hippocampus, Septum und in der Amygdala), einem Wechsel zu parasympathischer Dominanz im autonomen Nervensystem, einer Synchronisation zwischen linkem und rechtem Frontallappen sowie einem Wechsel zu rechtseitiger Gehirndominanz. Bei weitergehender Vertiefung, im Verlaufe der nachfolgend beschriebenen dritten Trancephase, nimmt die Frontallappenaktivität wie die Beteiligung des limbischen System ab, was zur subjektiven Erfahrung von transzendenten Zuständen führt (unio mystica, satori, samadhi).

 


 

 

 

4. Trance und visuelles Design

Tranceerfahrungen können in verschiedene Phasen oder Etappen unterteilt werden (Clottes & Lewis-Willams 1997, 14ff.; Tart 1975, 72 ff.; Goodman 1988). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die drei Phasen (plus Übergangsphasen) an Hand von verschiedenen visuellen Designs:

1)      Eine abstrakte Darstellung der Veränderung der psychologischen Subsysteme, basierend auf Tart (1975, 73).

2)      Die Darstellung von Erfahrungen eines Menschen des europäischen Kulturkreises (basierend auf Clottes & Lewis-Williams 1997, 14).

3)      Eine Darstellung der Trancephasen basierend auf Zeichnungen paläolithischer Bilderhöhlen (Niaux und Les Trois Frères; 15 000 bis 13 000 Jahre BP; basierend auf Clottes & Lewis-Williams 1997, 92).

4)      Trancephasen in der Felskunst der San (Western Cape Province, North-West Province, Natal-Kwazulu Drakensberg, und Eastern Cape Province; 19. Jahrhundert und früher; basierend auf Clottes & Lewis-Williams 1997, 34).

5)      Diné Felskunst (Canyon de Chelly; Mitte des 17. Jahrhunderts und später; Autorinterpretation).

Die drei Trancephasen (manchmal in den Beschreibungen mit Übergangsphasen vom Alltagsbewußtsein zur Trancephase 1 und von Trancephase 2 zur dritten) müssen nicht alle durchlaufen werden und manchmal werden die beginnende(n) Phase(n) übersprungen (d.h. ein Adept kann sich momentan vom Alltagsbewußtsein in einen tiefen Trancezustand begeben; dieser Vorgang kann bei erfahrenen Schamanen und Medizinleuten häufig beobachtet werden). [Für eine größere und schärfere Abbilding hier klicken.]

 

Abb. 4.1 Graphische Darstellung von Trancephasen

Abstrakte Darstellung nach Tart – eurozentriertes Bewußtsein, europäisches Paläolithikum, San Felskunst nach Clottes & Lewis-Williams – Diné Felskunst


Trancephase DT.jpg


 


Abstrakte Darstellung

Das linke Diagram ist eine Darstellung des normalen Alltagsbewußtseins, dem Bewußtseinsprozeß der normativen Dissoziation im europäischen Kulturkreis. Oberhalb der horizontalen Linie sind die verschiedenen bewußten psychologischen Subsysteme in eine bestimmte, sozialisationsbedingte Ordnung gebracht; unterhalb der Linie befinden sich unbewußte Wahrnehmungsinhalte und Subsysteme.

 

Das zweite Diagram von links deutet die Effekte der beginnenden Tranceinduktion an. Die bewußten wie unbewußten psychischen Inhalte haben sich unter dem Einfluß von unterbrechenden Einflüssen wie musterbildenden Einflüssen ein wenig re-arrangiert.

 

In der Trancephase 1 löst sich die normativ gegebene Wahrnehmungsstruktur auf, die unterbrechenden Einflüsse haben die Oberhand (der Einfluß von schamanischem Trommeln, Trancetanzen, pflanzlichen Psychointegratoren, etc.). Die vorher stabile

Alltagswahrnehmung löst sich in andere, geometrische Wahrnehmungstrukturen auf (siehe darunter in derselben Spalte).

 

Bei Fortsetzung der Tranceerfahrung (Trancephase 2) bildet sich ein „diskreter Bewußtseinszustand“ (Tart) heraus, der dem Alltagsbewußtsein gegenüber alternativ ist. Hier finden wir neue Bewußtseinsinhalte (oberhalb der horizontalen Linie) und vormals bewußt Inhalte, die jetzt ins unbewußte gedrängt worden sind (unterhalb der horizontalen Linie). Wahrnehmungsmusterbildende wie unterbrechende Einflüsse (unterbrochene Pfeile) haben jetzt geringen Einfluß, der alternative integrative Bewußtseinsprozeß ist relativ stabil.

 

Bei weiterer Tancevertiefung (Trancephase 3) mag sich dann ein weiterer diskreter Bewußtseinszustand herausbilden. Die Stabilität dieser alternativen Bewußtseinszustände hängt von verschiedenen situativen wie Trainingsfaktoren ab.

 

Trancephasen des eurozentrierten Bewußtseins

Der Ausgangspunkt ist die Alltagswahrnehmung, hier dargestellt mit einem Photo einer Stockholmer Allee im Hafen (gegenüber Nordiska Museet).

 

In der Trancephase 1 beginnt die Wahrnehmung verschiedenster geometrischer Formen.

 

Da durchschnittlichen Europäern ein mytho-ideologisches Interpretationssystem für integrative Bewußtseinszustände nicht unmittelbar zur Hand ist, formen sich in der Trancephase 2 die geometrischen Muster in Bilder um, die vom Alltag her bekannt sind und verschiedene Gefühlslagen ausdrücken mögen (die gefüllte Tasse als Ausdruck des Durstes; die Bombe vielleicht als Furcht oder Wut).

 

Der Übergang zur Trancephase 3 geschieht gewöhnlich durch einen Strudel, Tunnel, eine Brücke oder etwas vergleichbares statt.

 

In der Trancephase 3 sind die alternativen, potentiell integrativen Wahrnehmungen (bei entsprechender Unterstützung) intensiv, eindringlich und einem Film oder einer Dia-Show vergleichbar. Da Trancende des europäischen Kulturkreises sich im Allgemeinen ohne unterstützende Interpretationen (mythologische Geschichten) in die Tranceerfahrung begeben, können die Wahrnehmungsinhalte recht unerwartete oder bizarre Formen annehmen (Wolf im Anzug).

 

Trancephasen im europäischen Paläolithikum

Hier sehen wir das typische Muster des Tranceprozesses - beginnend mit geometrischen Formen (Quadraten und Wellenlinien), die sich dann in der Wahrnehmung des damals wichtigen Steinbocks fortsetzt. Bei Vertiefung der Trance dann (Phase 3) mag der Adept nicht nur das wisent- oder hirschartige Mischwesen sehen, sondern sich selbst als eben dieses fühlen. D.h., was vorher visuelle Wahrnehmung war wird jetzt somatisch erfahren. Der Schamane oder die Schamanin verkörpert jetzt den Geist des Wisents oder Hirsches und agiert ihn rituell aus (um bestimmte Fragen zu beantworten oder Heilungen vorzunehmen). In der Literatur werden diese Figuren häufige „Zauberer“ genannt.

 

Trancephasen im Kulturkreis der südafrikanischen San

Nach den geometrischen Formen ist die Trancephase 2 durch einen Bienenschwarm dargestellt. Die Geisterbrücke (Übergangsphase) ist auf der Seite von Elenantilopen bestückt. Diese Tiere spielen in der Spiritualität der San eine zentrale Rolle und werden dann auch in der Darstellung der dritten Phase benutzt (die Linien, die aus dem Maul der Antilope kommen mögen eine spirituelle Kraftübertragung darstellen). Hier finden wir auch ein geflügeltes Wesen, daß ein Ausdruck der Seelenreise der Adepten sein mag (ein Hilfsgeist und ein Wesen, in das sich Adepten selbst verwandeln).

 

Trancephasen in der Diné Felskunst

Die Diné (Navajo Indianer im Südwesten der USA) haben in bestimmten mythologisch wichtigen Gegenden Felsbilder gezeichnet. Der Ausgangspunkt links ist die Alltagswahrnehmung der traditionellen Diné Hütte, hier des männlichen Hogans. Hier finden wir geometrische Formen, eine Darstellung der amerikanischen Antilope (sowie von Großhornschafen und anderen Tieren) sowie Tausendfüßler und geometrische Übergangsdarstellungen und schließlich menschenartige Figuren, die Ye’i oder Geister der Diné. Während heute die Diné Chantways eher priesterlich abgehalten werden (wobei die Ye’i theatralisch präsent gemacht, aber nicht vom Sänger verkörpert werden), werden diese Geister wahrscheinlich in den älteren schamanischen Schichten der Chantways vom Schamanen selbst verkörpert worden sein (der Deer Huntingway und andere Rituale geben darauf Hinweise).

 

Psychologische Bewußtseinsforschung weist darauf hin, „daß diese drei Phasen allen Menschen gemeinsam sind und ihre Grundlage in der Funktionsweise des Nervensystems haben“ (Clottes & Lewis-Williams 1997, 17), hingegen sind ihre erfahrungsmässigen Inhalte kulturspezifisch konditioniert. Inmitten dieser kulturspezifischen Ausformungen können wir jedoch oft auch überraschende Ähnlichkeiten ausmachen (so zwischen einer Grabplatte aus der Bronzezeit im Merseburger Museum und den Hopi Felsbildern in Horseshoe Canyon in Utah, die wenigstens 9000 Jahre alt sein dürften).

 

Wir können mit hinreichender Sicherheit annehmen, daß viele der frühesten visuellen Designs ihren Ursprung in der Erfahrung integrativer Trancezustände haben. Legitimer Zugang zu diesen grundlegenden Schichten menschlicher Erfahrung ist spätesten seit der europäischen Moderne für die Alltagspragmatik abgeschottet; allein in gesellschaftlich marginalen Bereich und in privaten religiösen Erfahrungen ist diese Qualität des Fragens und Suchens als legitim angesehen. Es mag jetzt an der Zeit sein uns an die intime Verbindung zwischen integrativen Bewußtseinszuständen und dem Designprozeß, wie wir sie in der Darstellung der Trancephasen illustriert finden, wiederzuerinnern und sie kritisch, konsequent und produktiv in die Designpraxis wieder einzuholen. Nur ein Designprozeß, der unkritisch dem begrenzenden dissoziativen Bewußtseinsprozeß ideologisch verhaftet bleibt, kann sich einer solchen Herausforderung widersetzen. Dies wäre ein Verlust nicht nur eines vollständigeren Menschenbildes, sondern auch von Korrekturpotentialen individuellen Leidens, sozioökonomischer Anomie und des globalen Ökozids. Multisensuelles Design benötigt ein erweitertes wissenschaftstheoretisches Modell, das diese pathologisch vernachlässigten Erfahrungs- und Erkenntnisbereiche erneut legitimiert.

 

 

 


 

5. Schamanismus und Trance

Die Trance, auf die verschiedensten Weisen induziert, ist ein zentraler Prozeß des Schamanismus. Die Seelenreisen der Schamanen sind einerseits als Ursprung von mythologischen Weltbildern anzusehen, andererseits dienen die Seelenlandkarten der ersten schamanischen Entdecker dazu ihre Nachfolger anzuleiten und Initiationen wie Heilungen im Rahmen spezifischer mytho-ideologischer Weltbilder vorzunehmen. Schamanen sind nicht nur die ersten Kartographen der menschlichen Seelenlandschaften, sondern ihre Landkarten (visuelle Designs und mythische Geschichten) sind auch heutzutage keinesfalls als „primitiv“ anzusehen (die gegenwärtige Psychologie hat erst in den letzten Jahrzehnten langsam im Spezialbereich der transpersonalen Psychologie begonnen diese integrativen Bewußtseinszustände genauer zu verstehen). (Aus schamanischer Perspektive sind die eurozentrierten sogenannten rationalen Weltbilder sowohl vergleichbar mytho-ideologisch wie die kulturellen Systeme indigener Völker als auch pathologisch, da dieserart Mythologien integrative Bewußtseinszustände normativ als gefährlich oder pathologisch abwerten.)

 

Schamanische ASC zielen auf die Adaption der inneren Erlebniswelt von Selbst, Anderen und kulturellen Bedeutungsystemen an neurognostische Strukturen des Bewußtseins. Ob wir uns dessen bewußt sind oder nicht: wir leben in einem narrativen Universum, gleich ob es mythologisch (oder spirituell oder religiös oder in einem anderen Sinn) oder wissenschaftlich verstanden wird. Die Geschichten, die wir uns erzählen reflektieren ein mehr oder minder erfolgreiches, mehr oder minder kritisches, mehr oder minder freies Verstehen unserer Adaptionen zwischen Innenleben und sozialem wie natürlichem Außen.

 

Auf diesem Wege können bei Tranceerfahrungen solche kognitive Funktionen relativ leicht beeinflußt werden, die der linearen verbalen Rationalität weitgehend unzugänglich sind (d.h. die letztgenannten kognitiven Prozesse können über das neomammalische Hirn oder den Neokortex nicht einfach hinausreichen). Schamanismus arbeitet mit den sozioemotionalen und Identitätsfunktionen des paläomammalischen Gehirns. Zugang zu diesen Prozessen kann über die Trance erreicht werden, weshalb sie zentral für Heilungen und andere Interventionen ist.

 

Schamanische Bewußtseinsprozesse arbeiten mit bildlichen Repräsentationen von prägnanten emotionalen Erinnerungen und Selbst-Repräsentationen. Die zeremoniellen oder rituellen Prozeduren zielen darauf ab Motivationssysteme und Emotionen, die zentral für Selbst und sozial Umwelt sind, zu beeinflussen. Mythologische Interpretationen stellen die verbalen Strukturen bereit, die dabei helfen die per Trance erreichbaren neurognostischen Interpretationsstrukturen, die die Basis für Selbst- und Bewußtsseinsmodellierung darstellen, zu erreichen und zu verändern.

 

In gewissem Sinne kann man sagen, daß der Fokus der schamanischen Trance die Integration des paläomammalischen Gehirns mit anderen Gehirnsystemen ist. Wie beschrieben ist das paläomammalischen Gehirn der Sammelbegriff für die Teile des Gehirns, die die Basis für soziales Verhalten und die nonverbale, emotionale und analoge Informationsverarbeitung sind. Als „Gefühlshirn“ vermittelt es zwischen Emotionen, Sexualität, Selbstverteidungs- und Aggressionsverhalten, Bonding und Attachment sowie fundamentalen Gefühlen des eigenen Selbsts. Das paläomammalische Gehirn (Emotiomentation) ist die Grundlage der emotionalen, persönlichen, sozialen und kognitiven Mechanismen schamanischer Praxis.

 

Schamanismus arbeitet mit kognitiven Kapazitäten, die mit den folgenden kognitiven Prozessen und Figuren verbunden sind:

--- mythisches Weltbild;

--- präsentationaler Symbolismus;

--- Metaphern;

--- Analogien;

--- Mimesis.

Ein kurzes Beispiel mag dies illustrieren. Ein schamanischer Priester der Mayas, OmeAkaEhekatl, diskutiert die dunkle Stelle in der Milchstrasse, eine astronomische Realität, die in der Kosmologie der Maya eine astrologische wie mythische Bedeutung unter dem Namen „Straße nach Xibalba“ hat. Er benutzt dieses mythische Bild um sozialhistorische wie individualpsychologische Prozesse zu interpretieren:

Xibalba ist die Unterwelt der Mayas. Dies ist die Gegend, wo die Herren des Todes, der Krankheit und des Leidens wohnen. Xibalba ist eine Gegend der Dunkelheit, die nicht nur auf mythologischer, physischer und spiritueller Ebene besteht, sondern auch als eine Gegend in uns Menschen. Lebenserfahrung ist ein Spiegel des Ballspiels mesoamerikanischer Kulturen. Während wir am Ballspiel teilnehmen müssen wir den großen Herausforderungen unserer Lebens ins Auge sehen. Diese Herausforderungen sind als Herren von Xibalba personifiziert. Sie manifestieren als Krankheit im Kopf, Körper und Geist; als spirituell und physisch schmerzhafter Tod; als Terror und Horror; als Gier und Selbstsüchtigkeit; und als all die Häßlichkeit und Dunkelheit unserer menschlichen Kreationen. Wir werden die Geschenke der Herren von Xibalba erfahren, da sie unsere Lehrer und Reiniger sind. Wir müssen es lernen durch die Unterwelt zu reisen und in unserem eigenen Ballspiel siegreich zu sein. (Kremer 2000, 31)

Dieses Zitat ist ein gutes Beispiel für die schamanische Integration und Interpretation verschiedener Realitätsebenen. Dieser Interpretationsrahmen wird bei kommunalen wie individuellen Zeremonien (Heilungen) benutzt. Die Aktivierung von mythologischen Konzepten, mit denen ein Maya natürlich groß geworden ist, in seiner psychoschamanischen Anwendung erleichtert einen holistischen Zugang zur Person. Die durch Tranceerfahrungen erreichte Integration wird als analoges Denken sichtbar, z.B. als

--- Animismus;

--- Anthropomorphismus;

--- Totemismus;

--- mimetisches Denken.

Integrative Prozesse benutzen also die symbolischen Kapazitäten der präsentationalen oder bildlichen Modalität (die Basis von Denken und Symbolisierung). Auf diesem Wege können egoische Prozesse umstrukturiert werden (nicht nur kann so individuelles Leiden beeinflußt werden, sondern kritisches Denken kann sein kognitives Vorurteil transzendieren und in tiefere Dimensionen des Selbstverständnisses eingebettet werden). Multisensuelles Design scheint genau jene kreative Fähigkeit zu verlangen, die Schamanen und andere Tranceexpertein praktizieren (siehe die nachfolgende Diskussion des schamanischen Heilens als multisensuelles Design am Beispiel der Diné): sie besitzen die praktische Fähigkeit spezialisierte Intelligenzen zu kombinieren und transdomänal zu kartographieren – mit dem Endresultat von kreativem Denken. Es ist eben diese Fähigkeit zwischen verschiedenen Domänen zu vermitteln und spezialisierte Fähigkeiten zu integrieren, die das Merkmal des erfolgreichen multisensuellen Designers sein dürfte.

 

Diese symbolischen Kapazitäten repräsentieren Tiefstrukturen des Wissens, sie sind sprachunabhängig und verbinden somatosensorische und metaphorische Prozesse in einem System, in dem Symbole physiologische Prozesse beeinflussen können (durch bildliche/imaginative Präsentationen). Barfield (1965; Kremer 1992) hat in seiner Analyse des Bewußtseins- und Wahrnehmungsprozesses darauf hingewiesen, daß unsere aktive Teilnahme an diesen Prozesse entweder bewußt (im schamanischen oder mythologischen Sinne partizipierend) oder unbewußt (als Folge eindimensionaler rationaler Dominanz) sein kann. Integrative Tranceprozesse erlauben die unbewußten Prozesse wieder ins Bewußtsein zu holen, anstatt sie dissoziativ und ruderlos, d.h. unbesehen und unkritisch, im Vorbewußten treiben und Einfluß nehmen zu lassen. Holistische und mythologische Prozesse haben ein reichliches Ausmaß an konservativem und faschistischem Mißbrauch erlitten, jedoch basiert er auf modernen Misinterpretationen (Kremer 2002, Stigliano 2002). Integrative Bewußtseinsprozesse und kritisches Denken werden in moderner Sicht als diagonal entgegengesetzte Pole verstanden, während solch eine Gegenüberstellung weder unvermeidlich noch natürlich ist. Holistisches Denken muß sich kritisch bewähren und kritisches Denken muß seine integrative Standhaftigkeit beweisen.

 

Wenn wir Freeman und anderen Pragmatisten (oder Konstruktivisten wie Maturana, Varela und von Foerster) zustimmen, dann ist unsere Wahrnehmung bedeutungsmässig und nicht informationsmässig organisiert. Wahrnehmung wird interaktiv um Bedeutungen herum konstruiert. Hier stellen die schamanischen Tranceverfahren sozusagen die tiefste Ebene dar, auf der wir grundlegende Wahrnehmungs- und Selbstprozesse beeinflussen können. Dieses Potential ist einer der Gründe, warum bis heute das Interesse an Tranceprozesse nicht völlig verschwunden ist und derzeit wieder etwas mehr in Woge kommt. Eine holistische Diagnose unserer zeitgenössischen Pathologien weist auf die Aktualität der Trance hin.

 


 

 

 

6. Psychophysiologische Prozesse von Tranceheilungen

Während Forscher bis vor wenigen Jahrzehnten oft dazu geneigt waren schamanische oder Tranceheilungen als Scharlatanerie, (Auto-)Suggestion, Phantasiererei oder als Sammelsurium von Tricks und hinterlistigen rituellen Vorgängen abzutun, haben die letzten Jahrzehnte immer deutlicher gemacht, daß es für diese Vorgänge psychophysiologische Basen gibt. Die Effektivität dieser schamanischen Vorgänge beruht auf der Fähigkeit von symbolischen Prozessen auf der physiologischen Ebene zu intervenieren. Metaphern spielen dabei eine zentrale Rolle; sie dienen der Integration von Physiologie und Kognition. Symbole sind durch unsere Sozialisation zutiefst mit physiologischen Prozessen und grundlegenden Identitätskonstrukten verbunden und ihre Manipulation in Trancezuständen ermöglicht somit eine Veränderung von Krankheits-, Identitäts- und Wahrnehmungsprozessen. Dies wird als symbolische Heilung bezeichnet. Bedeutungssysteme spielen eine zentrale Rolle im Umgehen mit emotionalen Prozessen, insbesondere von Angst und Bonding/Attachment. Rituale (inkl. kathartische Rituale) machen es möglich diese Zustände zu beeinflussen (cf. Winkelman 2000 für eine detaillierte Darstellung).

 

Rituale (wie wir nachfolgend am Beispiel der Diné sehen werden) arbeiten einerseits mit direkten physischen Interventionen (Massage, Einnahme von Kräutern, Schwitzen, etc.), andererseits – und hauptsächlich – arbeiten sie jedoch auf der symbolischen Ebene (wobei dann auch Taschenspielertricks und listige Fingerfertigkeiten der Heiler als Interventionen hinzugezogen werden können). Soziale Prozesse, Emotionen und Krankheitsprozesse werden mit Hilfe von mythologischen oder kosmologischen Systemen interpretiert und therapeutisch manipuliert. Wir haben bereits darauf hingeweisen, daß Bedeutungen die Zentralkoordinaten für unsere Wahrnehmungsprozesse darstellen. Schamanische Trancen arbeiten gezielt mit diesen Bedeutungssystemen und manipulieren sie nicht nur auf der psychologischen, sondern auch auf der physiologischen Ebene. Emotionen stellen dabei eine zentrale Schaltstelle dar, da sie einerseits eine klare physiologische Grundlage haben und andererseits ihre Bedeutung durch Sozialisationsprozesse gewinnen.

 

Der rituelle Gebrauch von Metaphern in der Trancearbeit erlaubt es subjektives und objektives Wissen durch biophysiologische und erfahrungsmässige Bedeutungen ineinander zu kollabieren. Die Interaktion des Körpers, der mythischen, archetypischen, metaphorischen Imagination und der sozialen Gruppe stellt die Grundlage für Heilungen dar. Wir können vielleicht sinnvollerweise sagen, daß Mythen die soziale, Metaphern die psychologische und Archetypen die somatische Ebene repräsentieren (Winkelman nach Kirmayer 1993). Metaphern beziehen ihre Effektivität aus somatischen Erfahrungen, die in archetypischen Mustern verankert sind, die wiederum durch Sozialisationsprozesse geformt und moduliert werden. Sozialisationsprozesse habituieren physiologische Reaktionen auf Symbole, von daher kann ihre Manipulation so effektiv sein. Wenn wir also Wahrnehmung nicht materialistisch oder kognitivistisch als simple Informationsverarbeitung verstehen, sondern als symbolischen Prozeß, der durch sozialisierte bedeutungsvolle Symbole strukturiert wird, dann wird es leichter zu sehen, warum die Trance als Intervention effektiv sein kann. Diese physiologisch effektiven Bedeutungssysteme werden natürlich früh in der Sozialisations erlernt und sind dem Ego nicht einfach zugänglich, während hingegen Symbole bis auf diese tieferen Ebenen hin penetrieren können. Dabei ist es auch wichtig sich zu erinnern, daß die Trance eine der zentralen Möglichkeiten des Verlernens anbietet – und ohne Verlernen können neue Erfahrens- und Verhaltensweisen nicht erworben werden (und ohne Verlernen ist Heilung nicht möglich). Als Fußnote mag es wichtig sein zu erwähnen, daß Vorgänge kommunaler Rituale auch endogene Opiate auslösen, die für Prozesse der sozialen Bindung (bonding) wesentlich sind und den Gruppenzusammenhang erhöhen.

 

Während diese theoretische Perspektive von Winkelman (2000) wesentliche Prozesse von Tranceheilungen erklärt, bleiben ander Phänomene unerklärt oder undiskutiert (z.B. bestimmte parapsychologische Ereignisse, hochsensible Wahrnehmung von Naturereignissen, Spurenlesen). Der beschriebene Ansatz ist weitgehend mit indigenen Erklärungsansätzen konsistent, ist jedoch vergleichsweise psychologielastig und vernachlässigt indigene Theoreme subtiler Energieprozesse.


 

 

 

 

 

7. Schamanisches Heilen als multisensuelles Design

Hatáál ist das Diné (Navajo) Wort für chant, einer bestimmte Form von Ritus und Gesang. Es gibt mehr als sechzig verschiedene chantways oder Gesangswege (z.B. Wyman 1983, Luckert 1979). Sie dauern von nur einem Tag bis zu neun Tagen (wobei ein Tag mit Sonnenuntergang, dem Beginn der zeremoniellen Vorgänge, anfängt und mit Sonnenaufgang endet). Diese komplexen zeremoniellen Vorgänge können als paradigmatische Illustrationen der beschriebenen Trancepozesse angesehen werden. Darüberhinaus stellen die diversen Interventionsaspekte ein Beispiel indigenen multisensuellen Designs dar – Schamanen treten hier als archetypische multisensuelle Designer auf. Nicht nur arbeiten sie mit Mythen, Metaphern und Archetypen, sondern auch mit visuellen Symbolen (Sandgemälde, Körperbemalungen, etc.), dramaturgischen Interventionen, Gerüchen (Fumiganten, Lotionen, Dekokte), Geschmack (z.B. emitische Kräuter, die Brechreiz auslösen), auditiven Stimulanzien (Rasseln, Gesänge, bullroarer oder Brummer), somatischen Manipulationen (z.B. Schwitzen, Infusionen), etc. (cf. Frisbie 1987). Ich benutze hier den Begriff des multisensuellen Designs beschreibend und nicht interpretierend im Sinne von Jungianischen oder anderen Ansätzen. Faris (1990) hat mit Recht auf die Arroganz eurozentrierte Ansätze hingewiesen, die die Diné Zeremonien auf westliche Wahrheit reduzieren wollen. In diesem Sinne sehe ich die Chantways als Praxen und Heilungsprozesse, die dazu dienen individuelle und soziale Beziehungen zu organisieren, harmonisieren, interpretieren und wiederherzustellen; sie sind valides lokales Wissen, das sich im multisensuellen Design ausdrückt. Multisensuelles Design ist unvermeidlicherweise integrativ, zumindestens im Ansatz. Während der Begriff des multisensuellen Designs nicht der Diné-Kultur entstammt, beschreibt er doch akkurat was in der Literatur und in den rituellen Vorgängen selbst offensichtlich ist. Er benennt die Effektivität und Komplexität der rituellen Vorgängen. Alle schamanischen Trancerituale, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, können sinnvoll als Archetypen des multisensuellen Designs verstanden wird, wobei die Multisensualität dazu dient die Effektivität der Interventionen zu erhöhen und sie in die verschiedenen Sinnesdimensionen wie den Dimensionen der Person und communitas einzubinden.

 

Die Ursprungsgeschichte jedes der zahlreichen Chantways verbindet das spezifische rituelle Geschehen mit den fundamentalen ontologischen und epistemologischen Annahmen der Diné-Lebensphilosophie bzw. drückt sie aus. Sie wird visuell in einer Reihe von Sandgemälden oder besser drypaintings (Trockengemälde, da auch andere Substanzen als Sand benutzt werden, z.B. Pollen, Holzkohle) im Hogan (hooghan), das selbst eine architektonische Repräsentation des Kosmos ist, abgebildet (genauso wie der Körper des Patienten kosmologisch interpretiert wird; Schwarz 1997). Der Sänger oder hataałii (vormals weniger eine priesterliche als eine schamanische Person) rezitiert eine bestimmte Abfolge von Gesängen von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Dazu kommen noch u.U. das Verbrennen von Kräutern, Infusionen, Auflegen von Pflanzen, etc. Neben Schwitzhütten werden auch die ’i, eine bestimmte Gruppe übernatürlicher Wesen, dramatisch bei Gesang und mit Tanz dargestellt. Multisensuelles Design dient hier dazu verlorengegangene Balance wiederherzustellen: Die kranke Person wird wieder an den Ursprungspunkt der Schöpfung zurückgebracht und von dort her wird seine persönliche Geschichte sozusagen erneut aus dem kosmologischen Zusammenhang heraus entfaltet, mit Hilfe all der Balancierungsmöglichkeiten die dem hataałii zur Verfügung stehen. Die Benutzung der verschiedenen Designsaspekte sind auf bedeutungsvolle Weise mit der Krankheit, die geheilt werden soll, verbunden. Für verschiedene Krankheitsgruppen gibt es verschiedene Chantways (hatáál, Sg.); jede Zeremonie stellt eine multisensuelles Design für Heilung dar und stellt die Diné Lebensphilosophie nicht nur in Worten, sondern auch in anderen Sinnesdimensionen dar.

 

Die nachfolgende Illustration illustriert die verschiedenen Aspekte der Chantway Zeremonien. Für diese Zeremonien wird das Hogan des Patienten leergeräumt und die rituellen Vorgänge finden innerhalb wie direkt vor dem Gebäude statt. Die Einzelbestandteile der nachfolgenden Illustration sind nicht von einer einzigen, sondern von verschiedenen Zeremonien genommen (von denen, wo entsprechende Abbildungen zur Verfügung stehen). [Für eine grössere und schärfere Version der Abbildung hier klicken.]

Dine multi DT.jpg

 

Abb. 7.1 Diné Zeremonien als multisensuelles Design


 

Zuoberst finden wir ein Trockengemälde, umgeben von Gebetsstöcken mit Federn, auf dem der Patient sitzt (dieses Bild ist noch einmal als Abbildung 7.2 in größerem Detail illustriert). Ein  Ye’i (maskiert und mit Körperbemalung) mit Zederzweigen in der Hand, tauscht die Krankheit mit spiritueller Essenz aus, ein dramatische Aufführung.

 

Links vom Ye’i sehen wir einen Kräuterbeutel (zur Reinigung durch Erbrechen); oft finden sich noch andere Beutel mit Substanzen zur Beräucherung, zum Rauchen (Tabak und psychointegrative oder halluzinogene Kräuter) oder für andere Zwecke.

 

Unterhalb des Trockengemäldes sehen wir ein Szene vor dem Hogan, wo Haashch’éélti’í, der Talking God oder Sprechende Gott, vom Norden her auf den Patienten zukommt und ihn mit Pollen und Koyotengeheul segnet. Im Hintergrund stehen noch ein weiblicher und ein männlicher ye’i Darsteller.

 

In der Mitte links sehen wir einen Medizinbeutel mit den verschiedensten Paraphernalien (Blessingway; Bergerdbeutel, Gebetsstäbe, verschiedenste Steine, Tabaksbeutel, usw.).

 

Links unten sehen wir den Beginn des rituellen Weges ins Hogan im Evil-Chasing-Chant (So’tsohjí Hóchóíjí): Der Pfad beginnt im Osten. Die Bedeutung des Ostens ist in einem Gemälde von Harrison Begay dargestellt: In der Diné Geographie ist dies Blanca Peak in Colorado (der Bergerdebeutel enthält Erde von diesem und den anderen drei Bergen der vier Himmelsrichtungen). Wir müssen uns vorstellen, daß vom Donnervogel Blitze auf die Erde einschlagen und aus den Gewitterwolken Regen fällt. Die innere männliche und weibliche Form streuen Pollen aus ihren Weißmuscheln auf die hier nicht ganz sichtbaren zwei Eier in einer Weißmuschel, die auf Hirschleder liegt. Zwei weiße Vögel fliegen über den Bergen und verschiedene Pflanzen wachsen auf ihnen; Hirsch, Stinktier, Stachelschwein und Bär stehen auf den Berghängen. Dieses Gemälde ist eine Illustration der Diné emergence story, ihrer Auftauchungsgeschichte (keine Schöpfungsgeschichte, denn sie beschreibt wie die Diné aus der Erde heraus in dieser Welt aufgetaucht sind).

 

In der Diagonale, von unten links nach rechts oben, sehen wir den Pfad selbst: von Osten her besteht er zu Beginn aus verschiedenfarbigen Fußspuren zwischen kleinen Erdhügeln, dann fünf Weidenreifen, dann zwei Gebetsstäben und zwei Bögen; darauf folgen vier Erdhügel mit Adlerfedern, dann vier mit blauen Federn und schließlich vier mit gelben Federn.

 

Oben rechts, im Hogan selbst, dessen Eingang nach Osten ausgerichtet ist, finden wir vier weiße Fußabdrücke und im Zentrum das Feuersymbol. Wie das Diagram über dem Hoganquerschnitt andeutet, ist das Hogan selbst eine Darstellung des Diné Kosmos: jede Richtung hat eine bestimmte Bedeutung und Personen haben bestimmte Plätze (auf der Basis des kosmomythologischen Verständnisses).

 

Rechts unten finden wir einen Patienten mit Körperbemalung.

 

In der Mitte (unten) zwischen dem Patienten und dem Gemälde des Ostberges finden wir den Inhalt eines weiteren Medizinbeutels (Male Shootingway): Gebetsstäbe, bullroarer (Brummer), Gebetspfeile mit Türkis, Weißmuschel, Abalonemuschel, Rotfels, Medizinstopper, Bogen und Halsband.

 

Das sogenannte Sandgemälde (genauer: Trockengemälde) wird nicht gemalt, sondern die pulverartigen Substanzen werden entsprechend dem Design zwischen den Fingern peinlich genauf auf die Erde gestreut (meist in der Mitte des Hogans). Die nachfolgende Abbildung (vom Coyoteway) zeigt die Ye’i in den vier Himmelsrichtungen, die Koyotenmädchen. Alle Anwesenden nehmen an der Schöpfung des Gemäldes teil. Im Zentrum des Bildes befindet sich das Loch des Auftauchens. Die vier Paare der Koyotenmädchen sind durch Maispflanzen voneinander abgeteilt. Das gesamte Design wird von der Regenbogenperson, einer Figur die einen fast geschlossenen Kreis bildet, sozusagen gehalten. Sogenannte „aufrechtstehende Gebetstäbe“ werden zum Abschluß rundherum in den Sand gesteckt und „sprechende Gebetsstäbe“, zusammen mit anderen möglichen Paraphernalien, kommen noch dazu. Die folgende Abbildung zeigt das Design, auf dem der Patient in der Kombinationsillustration sitzt. Am Ende des rituellen Tages wird das Trockengemälde zerstört und die Pigmente werden zeremoniell an einem bestimmten Platz den natürlichen Elementen überlassen. Je nach Chantway wird dann am nächsten Tag ein neues Trockengemälde geschaffen.

 

Coyotechant painting3.jpg

 

 

 

Abb. 7.2 Trockengemälde vom Coyotechant (Luckert 1979, 22)

 

Die Gesänge dieser Chantways sind repetitiv und tranceinduzierend. Z.B. für den Coyoteway, der hier vielfach illustriert ist, beginnt der erste Gesang am ersten Abend folgendermassen (Luckert 1979, 37):

Sie sind gegeben worden, sie sind gegeben worden,

Diese sind gegeben worden, diese sind gegeben worden.

Die Söhne der Sonne sind gegeben worden. Diese sind gegeben worden, diese sind gegeben worden.

Die Söhne des Weißmais sind gegeben worden. Diese sind gegeben worden, diese sind gegeben worden.

Die Dunkelwolke über der Erde ist gegeben worden. Diese sind gegeben worden, diese sind gegeben worden.

Der Lichtblitz ist gegeben worden. Diese sind gegeben worden, diese sind gegeben worden.

 

 

Man kann leicht sehen, daß diese repetitiven lyrischen Gesänge zusammen mit den verschiedenen rituellen Handlung alle Teilnehmer mehr und mehr in eine Trance bringen (dabei ist zu bemerken, daß die Diné darüber nicht sprechen). Ein wesentlicher Prozeßfaktor ist dabei natürlich auch, daß diese Zeremonien nachts stattfinden, d.h. wenn die Teilnehmer normalerweise schlafen und träumen würden (einer der zahlreichen Faktoren, die bei der Erfahrung heilender Bewußtseinszustände helfen). Diese Verschiebung von Tag und Nacht ist sozusagen eine Standardtechnik der Schamanen; sie erleichtert Tranceerfahrungen.

 

Wie erwähnt dient das komplexe multisensuelle Design der Chantways dazu den Patienten auf eine archetypische Reise zu schicken, auf der die rituellen Handlungen der ersten erfolgreichen Heilungen für die spezifische Symptomatik von den Ye’i oder Geistern (Göttern/Göttinnen) den Menschen verfügbar gemacht wurden. Der Chantway und seine Entstehungsgeschichte erzählt die ursprüngliche Suche nach Heilung und der Patient wird an den heilen Ursprung, an den Punkt der Balance, gebracht und kann sich von dorther im Verlaufe der Zeremonie wieder neu entwickeln, d.h. heilen. Die mythischen Worte erklären die Ätiologie der Krankheit und erlauben es das Selbst- und Krankheitsverständnis des Patienten in einem sozialen Kontext heilend zu manipulieren.

 

Das komplexe multisensuelle Design des Diné Heilungsprozesses hat seinen Ursprung in der Kreativität integrativer Bewußtseinszustände. Gowan (1975, 239) hat bemerkt, daß „ein großes Kunstwerk die rudimentäre und dauerhafte Spur einer ästhetischen mystischen Erfahrung ist.“ Jede Aufführung eines Chantway ist die Darbietung eines großen Kunstwerks, die Spur eines integrativen Bewußtseinszustandes und die Möglichkeit der Linderung von Leiden durch innere wie äußerliche Ausbalancierung mit Hilfe des aktivierten multisensuellen Designsprozesses.

 

Ich habe das Beispiel der Zeremonien der Diné gewählt, da hier reichhaltiges Text- und Bildmaterial vorliegt. Zahllose Beispiele finden sich in anderen Kulturen, manche ähnlich komplett, manche rudimentär. Wenn wir an das Design der japanischen Teezeremonie denken, dann sind seine schamanischen Ursprünge durchaus fühlbar, selbst wenn der heutige kulturelle Kontext weit vom Schamanismus entfernt liegt. Oder wir können an die Arbeiten sowjetischer Ethnographen denken (Anisimov, Prokofyeva, Chernetsov, Vasilevich und andere; cf. Diószegi 1968), insbesondere vielleicht Anisimovs Beschreibungen des schamanischen Zeltes der Evenken (1952). Die oben diskutierte Felskunst gibt uns Hinweise auf das schamanische multisensuelle Design der San in Südafrika wie unserer paläolithischen Vorfahren. Natürlich können wir ähnliche Beschreibungen für die altnordischen Traditionen mit Hilfe der Edda und anderen Texten sowie megalithischer und bronzezeitlicher Felskunst und anderer Artefakte entwerfen.

 

 


 

 

8. Trance als Kreativitätstechnik im multisensuellen Design

Multisensuelles Design zielt, wenigstens in einem Sinne, darauf ab, anstatt sich in einem unidimensionalen Designsvorgehen (mit den umliegenden Dimensionen unbewußt vernachlässigt oder bewußt beiseite geschoben), sich bewußt in einem multidimensionalen Designsprozeß zu engagieren. Eindimensionales und lineares Vorgehen ist ein Charakteristikum der Sozialisationskonditionierung europäischer Gesellschaften. Kreative Menschen überschreiten diese sozialen Prägungen unvermeidlich in mehr oder minder großem Ausmaß; Tranceerfahrungen erlauben es sich gezielter in integrative Bewußtseinsprozesse zu vertiefen, d.h. die individuelle Erfahrung mit grundlegenden existentiellen menschlichen Erfahrungen in Zusammenhang zu bringen und auf diese Weise kreative Lösungen zu finden, die die bestehenden Designsmuster qualitativ überschreiten. Wir können somit eine produktive Beziehung zwischen Tranceerfahrungen und multisensuellem Designsprozeß annehmen. Anstatt auf einem eindimensionalen Fokus zu bestehen, sucht multidimensionales Design die in-, um-, unter- und überliegenden Designsdimensionen zu integrieren. Wie hinreichend bekannt (z.B. Bateson 1972, Dörner et al. 1983, Dörner 1989) sind wir Menschen oft sehr unerfolgreich im Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität – eine unerfreuliche Wahrheit, deren Wichtigkeit uns heutzutage in Form des Ökozids und eindimensionaler Globalisierung (Amerikanisierung) vorgespiegelt wird. Mittels integrativer Bewußtseinszustände können wir Lösungsprozesse aktivieren, die rationale und vorrationale Designprozesse kreativ katalysieren. Somit mögen wir humane und nachhaltige Lösungen entwerfen, die sich linear-rationalem Denken gegenüber multidimensional kritisch verhalten und eine dominierende, imperialistische Realitätsbeziehung durch holistische Dialektik ersetzt.

 

Multisensuelles Design stellt komplexe Anforderungen an unsere kognitiven Prozesse. Statt uns dem Zufall des kreativen Einfallsblitzes zu überlassen können wir mit Hilfe der Trance kontrollierte Bewußtseinsprozesse hervorrufen, die potentiell integrativ sind.

 

Der kreative Imperativ verlangt von Künstlern, Designern, Dichtern oder Autoren, daß sie sich in einen Prozeß mit dem Vorbewußten engagieren, der sich von dem des Alltagsbewußtseins unterscheidet. Das Alltagsbewußtsein muß dem Un- oder Vorbewußten gegenüber durchlässiger werden und nähert sich somit im kreativen Prozeß integrativen Bewußtseinsprozessen an. Psychologische Forschung hat gezeigt (z.B. Krippner 1990), daß die Benutzung von Psychointegratoren und Hypnosis kreatives Verhalten erleichtert. Die obigen Beschreibungen der Tranceprozesse dürften deutlich gemacht haben, daß hier ein großes Repertoire von Möglichkeiten liegt, die darauf warten pädagogisch und forschungsmässig aktiviert zu werden.

 

Die Benutzung von Tranceprozessen im Unterricht und in der Designpraxis erfordert, daß bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Lehrenden oder Teammitglieder müssen natürlich nicht nur ihre Zustimmung zur Benutzung dieser Kreativitätstechnik geben, sondern es sollte nur unter erfahrener Anleitung oder nach hinreichendem Training geschehen. Ein sicherheitsbringendes interpersonelles Gefäß mit konsensuellen Beschlußverfahren sowie hinreichend abgesichertem Vertraulichkeitsverständnis muß geschaffen werden. Sind diese Minimalvoraussetzungen nicht erfüllt, dann werden Teammitglieder oder Studenten unnötig psychischen Verletzungen ausgesetzt.

 

Wie wir am Beispiel der Navajos gesehen haben, ist ihr multisensuelles Design tief in kosmologische Prozesse eingebunden. Im ersten Kapitel habe ich beschrieben, wie sich das moderne Selbst im Entstehungsprozeß des Individualismus von diesen kosmologischen Prozesse abgetrennt hat und den Gewinn bestimmter moderne Freiheiten und technologischer Entwicklungen mit dem Preise des beschränkten Zugangs zu integrativen Bewußtseinsprozessen bezahlt. Wenn wir multisensuelles Design wieder mit integrativen Bewußtseinsprozessen verbinden, dann besteht die Möglichkeit Vorgänge die mit dem Entstehen der Moderne ins Unbewußte eskamotiert worden sind wieder ins Bewußtsein zu holen. Anstatt also unbewußt Kosmologie auszuagieren (die Kosmologie des Fortschritts, der Linearität, des Eurozentrismus, usw.) können wir jetzt bewußter mit kosmologischen Komponenten arbeiten, nicht nur rational auf ideologiekritischer Ebene, sondern auch auf den Ebenen psychosozialer Integration. Dies ist potentiell die kultur- oder ideologiekritische Seite des multisensuellen Designs: natürliche synästhetische Erfahrung wird holistisch mit individuellen wie sozialen Identitätsprozessen, mit psychologischen wie kosmologischen, mit ratiomentalen wie emotiomentalen Prozessen verbunden. Unkritische normative Dissoziation mag sich so in kritische Integration transformieren. Multisensuelles Design mag auf diesem Wege einen kreativen Beitrag zur Heilung sozialer wie individueller Pathologien machen. Die Trance als Kreativitätstechnik eröffnet neue pädagogische Möglichkeiten und erweitert das Spektrum von Forschung und angewandtem Design.

 


 

 

 

9. Abbildungsnachweise

Abbildung 1.1

Photos: Rebecca Beyman, Jürgen Kremer. Illustrationskonzept basiert auf Tart 1975, 147, modifiziert.

 

Abbildung 2.1

Abbildungszitat aus Tart 1975, 90. Übersetzung J.W. Kremer.

 

Abbildung 3.1

Verändert nach Laughlin et al. 1990, 71. Basierend auf der Zeichnung von Donna Gordon. Modifiziert von J.W. Kremer.

 

Abbildung 3.2

Abbildungszitat aus Farthing 1992, 93. Übersetzung J.W. Kremer.

 

Abbildung 3.3

Abbildungszitat aus Farthing 1992, 92; nach J.M. Darley, S. Glucksberg & R.A. Kinchla, 1991, Psychology. Übersetzung J.W. Kremer.

 

Abbildung 3.4

Abbildungszitat aus Freeman 2000, 7. Übersetzung J.W. Kremer.

 

Abbildung 4.1

Graphische Übersicht von J.W. Kremer zusammengestellt. Mit (modifizierten) Abbildungszitaten aus: Tart (1975, 73); Clottes & Lewis-Williams (1997, 14, 34, 92); Grant (1978, 217 218, 234, 235); Wyman (1983, 53); Photo von Rebecca Beyman.

 

Abbildung 7.1

Graphische Übersicht von J.W. Kremer zusammengestellt. Mit (modifizierten) Abbildungszitaten aus: Wyman & Begay (1967, Figur 2); Luckert (1979, 152, 177); Wyman (1972a, 23); Wyman (1972b, 136); Schwarz (1997, 42); Wheelwright (1988, 163, 167).

 

Abbildung 7.2

Abbildungszitat aus Luckert (1979, 22).

 

 


 

 

10. Literatur

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